Workshop 1

Der Workshop 1:  „Frauen verändern Gesellschaft – für eine gerechtere Welt“
Im Rahmen des Workshops  haben Marjan Heidarinami, Frauenforum des Islamischen Zentrums Hamburg, über das Leben von Khadidja, Michaela Will, Frauenwerk Hamburg-West/Südholstein über Dorothee Sölle und Inge Behjat und Waltraud Shafiezadeh, Bahá’í-Frauen-Forum, über Tahere gesprochen. Wir dachten, die Ausarbeitungen ( die den Workshop-Teilnehmerinnen ausgehändigt wurden) könnten auch für die Webseite interessant sein. Die Gruppe traf sich traf sich zur Arbeit und zum Austausch im Büro von Corinna Schmidt, der Leitung des Ökumenischen Forums HafenCity.

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Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Das Leben und Wirken der  Hazrate Khadidja
(Friede sei mit ihr)

Khadidja gehört zu den vier gesegneten Frauen im Islam. Sie war die erste Frau des Propheten Mohammad und verkörpert die revolutionäre Frau und ideale Lebenspartnerin.
Um die Bedeutung ihres Lebens und Wirkens zu verstehen, muss man die damaligen Verhältnisse in Arabien berücksichtigen. Unwissenheit und Aberglauben prägten die patriarchaische Gesellschaft. Es war eine Schmach ein Mädchen zu bekommen, neugeborene Mädchen wurden deswegen lebendig begraben. Bei Fehden und Kleinkriegen wurden Frauen verschleppt und versklavt. Witwen und Geschiedene wurden verstoßen und hatten keinerlei Rechte…
Khadidja widersetzte sich allen starren Normen ihrer Zeit. Sie stammte aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie der Qureisch in Mekka. Mit dem Nachlass ihres Vaters und vermutlich auch den von ihm geerbten Geschäftssinn betrieb sie erfolgreich Handelskarawanen und wurde schnell zur reichsten Frau Arabiens. Ihr Reichtum wurde mit 80.000 Kamelen beziffert. Aber nicht nur im materiellen Sinne war die „Prinzessin von Mekka“, wie sie bezeichnet wurde, reich. Sie engagierte sich mit ihren Gewinnen sozial und half Mittellosen und Schwachen, Witwen, Kranken und Behinderten, weswegen sie bald den Namen „At-Tahira“ (die Reine) inne hatte.
Khadidja hatte von der Integrität  von „Mohammad dem Vertrauenswürdigen“ gehört und stellte ihn als Führer für ihre Handelskarawane ein. Sie ließ ihn durch ihren Diener begleiten. Mohammad erzielte überdimensionale Gewinne, aber vielmehr noch wurde ihr von Mohammads vorbildlichen Charakter berichtet. Khadidja war bereits zweifache Witwe, in den Vierzigern und hatte viele einflussreiche Bewerber, die um ihre Hand anhielten,  die sie jedoch ablehnte. Die Aufrichtigkeit von Mohammad imponierte ihr. Er verkörperte die Tugenden, die auch ihre Ideale waren. Seine Stellung, seine Herkunft und sein Besitz waren für sie unbedeutend. So gab sie Mohammad über einen Mittler zu verstehen, dass sie ihn heiraten wolle.
Auch für heutige Verhältnisse ist so eine Verbindung unkonventionell, zumal Mohammad nach allgemein bekannter Quellenlage 15 Jahre jünger und mittellos war. Mohammad, der seinerseits ihre beispiellose Persönlichkeit schätzte, willigte ein. Entsprechend groß war das Entsetzen ihrer Freunde und Verwandten, die sie von da an ausschlossen.
Mohammad und Khadidja lebten 25 Jahre in glücklicher Ehe, sie engagierten sich gemeinsam für die Notleidenden. Neben ihrer Töchtern, darunter Fatima, wuchsen eine Vielzahl an Kindern in ihrem Haushalt auf.
Als Mohammad nach 15 Jahren Ehe die erste Offenbarung bekam, war er verstört und überwältigt. Khadidja war so überzeugt von seinem reinen Charakter, dass sie überhaupt keinen Zweifel an der Echtheit seiner Berufung zum Propheten hatte. Es war für sie die logische Konsequenz. Sie, war die Erste, die den Islam annahm und sich dazu bekannte. Sie bestärkte Mohammad und gab ihm Rückhalt.
Nachdem der Prophet anfing seine Botschaft offen zu verkünden, brachen schwere Zeiten für Mohammad, Khadidja und die jungen Muslime ein. Die mekkanische Elite, zu der Khadidjas Verwandten zählten, sahen ihren Machteinfluss in Gefahr und übten heftigen Druck auf die Muslime aus. Sie demütigten und verfolgten sie und unterbanden den Handel mit ihnen, um ihnen jegliche Lebensgrundlage zu entziehen. Aber Khadidjas Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen und ihr unerschütterlicher Glaube an Gott und seinen Gesandten, stärkten die jungen Muslime. Sie unterstützte sie mit all ihren Möglichkeiten. Sie schenkte ihren Reichtum den Armen und Waisen, kaufte Sklaven frei… Sie wirkte aktiv mit an der Bildung der neuen gerechten Ordnung, bei dem alle Menschen jenseits von Geschlecht, Hautfarbe und Rasse gleich vor Gott waren und warb für ihren Glauben. Für ihre Warmherzigkeit und ihren Großmut wurde sie liebevoll „Mutter der Gläubigen“ und „Khadidja die Große“ (Kubra) genannt.
Drei Jahre vor der Auswanderung der Muslime nach Medina starb Khadidja im Alter von 65 Jahren. Prophet Mohammad bezeichnete für sich das Jahr als das „Jahr der Trauer“.
Er liebte sie über ihren Tod hinaus und sagte: „Niemals hat mir Gott eine bessere Gefährtin gegeben als Khadidja. Sie glaubte an meinen Auftrag zu einer Zeit, als jeder mich verlachte, sie gab mir unumschränktes Vertrauen, als niemand mich verstand. Sie schenkte mir neuen Lebensmut, wenn ich schweren Herzens war und öffnete mir ihr Herz, wenn ich einsam und verlassen war. Wie kann ich sie je vergessen?“
von: Marjan Heidarinami, Frauenforum des Islamischen Zentrums Hamburg



Dorothee Sölle
(1929-2003)

Dorothee Sölle war eine der weltweit bekanntesten deutschen Theologinnen, aber nie unumstritten. Ihr Name steht für den »anderen Protestantismus«, der den Kampf gegen Armut und Unterdrückung in den Mittelpunkt der Theologie stellt, für einen »sichtbaren Glauben«, der mit allen Sinnen erfahrbar ist. Sie machte sich stark für die feministische Theologie – für sie ein wesentlicher Grundzug einer glaubwürdigen Befreiungstheologie. Mit dieser Einstellung trat sie immer wieder offen den institutionalisierten Glaubenslehren entgegen. Auch aus der Friedens- und Ökologiebewegung der 1970er und 1980er Jahre ist sie nicht wegzudenken. So war sie Mitbegründerin des sogenannten „Politischen Nachtgebets“ in der Antoniterkirche in Köln. Von 1975 bis 1987 lehrte sie systematische Theologie in New York. In Deutschland blieb ihr allerdings lange Zeit eine Anerkennung im Universitätsbetrieb versagt. Erst 1994 erhielt sie an der Universität Hamburg eine Ehrenprofessur. Ihre für viele wegweisenden, aber auch oft provokanten Vorstellungen hat sie in zahlreichen religiösen und politischen Essays, Gedichten und in Vorträgen zum Ausdruck gebracht. („…von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“. Frauen schreiben Reformationsgeschichte. Materialien, hg.v. Frauenwerk der Nordkirche, Kiel 2016, Seite 13)

Auf der Seite der Armen stehen
Ein Grundsatz der Theologie der Befreiung, die man auch eine Theologie der Armen nennen kann, ist, dass die Armen die Lehrer sind, die uns auf das Leben aufmerksam machen. Was lehren denn die Armen? Sie warten auf Wunder. Sie brauchen Wunder – während für die Reichen die Wunder nur Aberglaube, Illusion, Realitätsflucht sind. Die Armen brauchen das Wunder: die Außerkraftsetzung der Realitätsgesetz, dass, wer fällt, auch noch gestoßen wird, dass der Starke über die Schwachen siegt und ihnen Gewalt antut; sie brauchen das Wunder, dass Solidarität stärker als die strukturelle Gewalt der Mächtigen ist. Die Armen brauchen nicht Reformen, Hilfsprogramme, Placebos, sondern das Wunder, dessen Kern die Umverteilung ist. Die neue Verteilung der Arbeitszeit, der Einkommen und der Freizeit nach dem Prinzip der Bedürfnisse – das sind Hoffnungen, ohne die die Armen nicht ihre Würde bewahren können. „Alles ist möglich dem, der da glaubt“, sagt Jesus. An Wunder „glauben“ bedeutet in seiner Botschaft, sich an ihnen zu beteiligen, sie zu tun. Das Versprechen der Zukunft Gottes in seiner solchen solidarischen Kultur ist ein Einladung zum Kampf, zum Eintreten für die Opfer und zum Mitleiden. Die Menschen, die sich auf die Seite der Armen ziehen lassen, kommen mit dem Grund allen Lebens in Berührung; das drückt die Bibel so aus, dass ihnen Gott in den Armen begegnet. (Dorothee Sölle: Den Rhythmus des Lebens spüren. Inspirierter Alltag, Freiburg / Basel / Wien 2013, Seite 118)

Persönlicher Zugang
Dorothee Sölle war für mich persönlich eine meiner wichtigsten Lehrerinnen. Charakteristisch für sie war, dass sie das Engagement für die Gleichberechtigung von Frauen mit dem Engagement für Gerechtigkeit für alle Menschen auf dieser Welt unabhängig von ihrer sozialen Stellung, ihrer Religion und ihrer Hautfarbe verbunden hat. Besonders wichtig ist mir ihre Fähigkeit, Spiritualität und politisches Handeln zu verbinden. Bei einem Seminar zum Thema „Mystik und Widerstand“ mit ihr haben wir zum Abschluss als Geschenk jede eine grüne „Hoffnungsmappe“ erhalten, verbunden mit dem Auftrag, Geschichten der Hoffnung und des Widerstands auf dem Weg zur Gerechtigkeit darin zu sammeln. (Michaela Will, 20. November 2016)

Hoffnungsgeschichten
Die Hoffnung hat zwei Beine: ein metaphysisches und ein empirisches. Wenn sie nicht hin und wieder ein kleines empirisches Stückchen Land sichtet, stirbt sie ab. Andererseits braucht sie auch das metaphysische Bein, damit sie, wenn nichts Positives zu sehen ist, trotzdem die Verheißung stark macht, dass die Hoffnung noch existiert. […] Zum Beispiel: Ein Blinder wurde geheilt. Das heißt natürlich nicht, dass Jesus die ägyptische Augenkrankheit besiegt hätte. Die ersten Christen fanden sich in einer Gruppe von Menschen zusammen, die anders lebten, die diese Ermutigungsgeschichten oder Hoffnungsgeschichten sammelten. Solche Mutmachgeschichten habe ich vielfach poetisch bearbeitet. Mir geht es oft schlicht und einfach so, dass ich etwas lese und es festhalten möchte. […] Aus der entsetzlichen Flut der Informationen will ich Geschichten herausnehmen und sagen, hier war etwas Besonderes. Genau das tut ein Gedicht. […] Ein Gedicht verteilt ein Stück von Hoffnung. Das sind sozusagen kleine ‚Mutanfälle‘, Hoffnungsgeschichten. Ich habe in meinem Haus eine ganze Mappe solcher Hoffnungsgeschichten, die ich sammle und aus denen ich eines Tages etwas machen will. Ich nenne das oft: Die Bibel weiterschreiben – die Bibel nicht als ein fertiges Kompendium begreifen. Beispielsweise die Geschichten des Evangeliums: Nicht zu sagen, das war damals, und heute ist das eben nicht mehr so, sondern sich den Blick der Evangelisten vorgeben lassen, das finde ich eine Hilfe, um dann wieder auf unsere Realität zu sehen. (Dorothee Sölle: Den Rhythmus des Lebens spüren. Inspirierter Alltag, Freiburg / Basel / Wien 2013, Seite 224f)
von: Michaela Will, Frauenwerk Hamburg-West/Südholstein


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Tahere (die Reine)

Wenn man das Leben von Tahere betrachtet, muss man auch die damalige Zeit berücksichtigen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in vielen Teilen der Welt eine Aufbruchsstimmung, ein Wunsch nach Veränderung, vor allem hin zu mehr Selbstbestimmung im eigenen Leben. So auch im Orient: Damals entstanden zahlreiche islamische Lehrzirkel, teilweise auch geführt von namhaften geistigen Gelehrten, die die gelebten Glaubensgrundsätze hinterfragten. Eine dieser Schulen spielte eine zentrale Rolle im Leben der Fatima Baraghani , genannt Tahere. Sie  wurde vermutlich 1817 in eine sehr angesehene und einflußreiche Familie in Qazvin geboren. Ihr Vater war Mullah Mohammad Salih Baraghani, ein islamischer Gelehrter, der sie selbst unterrichtete. Sie war, ungewöhnlich für ein Mädchen der damaligen Zeit, sowohl in religiösen Themen, als auch in Literatur und Poesie bewandert.  Auch ihre Schönheit wurde gerühmt.
Mit 13 Jahren wurde sie mit ihrem Cousin Mullah Muhammad verheiratet, hatte mit ihm 2 Söhne und 1 Tochter.
Die junge Familie lebte einige Jahre in Karbala, dort lehrte ein schiitischer Gelehrter namens Siyyid Kazim u.a. zum Thema fortschreitende Gottesoffenbarung und vertrat die These, dass die Menschheit reif für eine neue göttliche Offenbarung ist, die dem aktuellen Zeitgeschehen gerecht wird. 1840 schloss sich Tahere dieser Schule an.
Das führte zum Bruch mit ihrem Mann und Ihrem Vater, die  Gegner dieser Schule waren. Aber einige Familienmitglieder, vermutlich auch ihre Mutter, die sich aber nicht öffentlich dazu bekannte, waren ebenfalls Anhänger von Siyyid Kazim.
In einem mystischen Traum erkannte Tahere 1844 den Bab (Mirzā ʿAli Muhammad), den die Bahá´í als Vorläufer der Bahá´í-Religion verehren, als den erwarteten Boten Gottes. Von da an reiste sie durch den Irak und Iran und verkündete als eine der 19 Apostel, die der Bab auswählte (sie war die einzige Frau), den Anbruch eines neuen Zeitalters mit neuen Gesetzen. Der islamische Klerus bekämpfte diese Bewegung, die großen Zulauf in der Bevölkerung hatte, mit allen Mitteln und äußerst grausam.
Bei einem Treffen 1848 von herausragenden Babis (Anhängern des Bab) stellte Tahere die Entwicklung der Frauen in den Mittelpunkt. Es wird erzählt, dass sie, die in der Gemeinde als Heilige verehrt wurde, den Schleier abnahm, um das zu unterstreichen. Nicht alle anwesenden Männer, teilweise islamische Gelehrte, teilten ihre Ansicht, jedoch wurde ihre Position in der Babi-Gemeinde bestätigt.
Ihre Familie, allen voran ihr Mann versuchten alles, um sie zu diskreditieren. Mehrfach stand sie unter Hausarrest und wurde aus verschiedenen Städten vertrieben. Naser-ad-Din Shah jedoch war von ihr fasziniert und wollte sie zur Frau nehmen, um sie zu verschonen, aber sie lehnte ab.
Da sie ihren Glauben nicht widerrief sondern ganz im Gegenteil jede Möglichkeit nutzte, um ihre Mitmenschen von der neuen Lehre zu überzeugen, verbrachte sie ihre letzten Jahre unter Hausarrest. Im August 1852 wurde sie heimlich ermordet und ihr Leichnam verscharrt, als wollte man ihre Existenz auslöschen. Aber ihre letzten Worte waren: Ihr könnt mich jederzeit töten, aber die Emanzipation der Frauen könnt ihr nicht aufhalten.
von: Inge Behjat und Waltraud Shafiezadeh, Bahá’í-Frauen-Forum

Folgenden Ermutigungsspruch haben die Frauen dem Plenum auf den Weg  gegeben:

„Wir möchten Frauen ermutigen, dass sie an sich glauben, ihren Weg finden und standhaft – auch gegen Widerstände – selbstbewusst gehen.“