Podiumsbeitrag von Eva-Maria Schmitz (katholische Theologin)

_MG_0416Ich beginne mit einem Bibelzitat:

„Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Mt 5,7)

Wie ist das gemeint?

Selig sind die, die es sind, denn sie werden es erlangen? Wie kann ich erlangen, was ich bereits bin? ….“denn sie werden Erbarmen finden“ heißt es in einer anderen Übersetzung. Aber das hilft auch nicht wirklich weiter, denn Barmherzigkeit und Erbarmen sind inhaltlich nicht so weit auseinander, wie wir bereits gehört haben.

Selig, griechisch: makarios, meint glücklich in einem nicht mehr zu überbietbaren Sinn. Also so etwas wie glückselig, glücklich im Sinn von gesegnet. Im Englischen wird es übersetzt mit blessed are.

Die Seligpreisungen bzw. die Bergpredigt sind zentral für die Botschaft Jesu.

Matthäus verbindet dabei Präsenz und Verheißung: Wer barmherzig ist, wird Barmherzigkeit erfahren. Im Akt der Verheißung liegt schon ein Teil der Erfüllung des Verheißenen – Tun und Erfahren fallen zusammen.

Vielleicht ist es mit Liebe am besten zu erklären. Wer Liebe gibt, erfährt (hoffentlich) oft, dass mit Liebe geantwortet wird.

Das heißt dann, wer sich auf das Wort Jesu, auf diese Seligpreisung, einlässt, und entsprechend handelt, kann feststellen, dass sie im Tun der Barmherzigkeit auch Barmherzigkeit erfährt.

Barmherzigkeit ist ein Schlüsselwort in der Bibel, um Gottes Handeln uns gegenüber zu beschreiben.

So wie Gott barmherzig ist, so können, sollen, dürfen auch wir barmherzig sein.

Barmherzigkeit ist ohne Gerechtigkeit nicht denkbar.

Aber Barmherzigkeit geht über die Gerechtigkeit hinaus. Sie schaut auf die konkrete Person und gibt ihr immer wieder eine Chance für einen neuen Anfang.

Niemand kann der verzeihenden Liebe Gottes Grenzen setzen.

Barmherzigkeit ist ein typisch religiöser Begriff.

In Politik und Wirtschaft kommt er eher nicht vor, da geht es um Gesetze, Zahlen, um Gewinn und Verlust.

Barmherzigkeit hat zu tun mit Liebe, Erbarmen, Vergebung, Mitleid.

All dies sind keine abstrakten Begriffe, sie wollen verwirklicht, gelebt werden.

Im kommenden Heiligen Jahr sollen die Gläubigen die Werke der Barmherzigkeit neu entdecken, so regt es Papst Franziskus in seinem Schreiben an, damit unser Gewissen gegenüber dem Drama der Armut wieder wach gerüttelt wird.

Sie sind alte katholische Tradition, auch wenn sich inzwischen der Staub des Vergessens darauf gelegt hat. Was sind diese Werke?

Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen, Tote begraben.

Neben diesen 7 leiblichen Werken der Barmherzigkeit gibt es noch 7 geistige Werke der Barmherzigkeit:

Den Zweifelnden recht raten, die Unwissenden lehren, die Sünder zurecht weisen, die Betrübten trösten, Beleidigungen verzeihen, die Lästigen geduldig ertragen, für die Lebenden und Verstorbenen zu Gott beten.

Es geht jedoch nicht darum, jetzt alles zähneknirschend abzuhaken.

„Wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig“ schreibt Paulus im Römerbrief. (Röm 12,8)

Barmherzigkeit leben heißt handeln.

Ich muss aber nicht alles auf einmal tun, denn ich werde von der Gemeinschaft der Glaubenden getragen. Das heißt konkret, wir können hier gemeinsam ganz viel zur Barmherzigkeit beitragen, wenn jede sich gemäß ihren Fähigkeiten dafür einsetzt.

„Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“