Leitung: Sana Khan (Ahmadiyya Muslim Jamaat) und Irene Pabst (Frauenwerk der Nordkirche)
„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ (Mt 5,7)
Und wenn jene, die an Unsere Zeichen glauben, zu dir kommen, so sprich: „Friede sei mit euch! Euer Herr hat Sich Selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben; wenn einer von euch unwissentlich etwas Böses tut und hernach bereut und sich bessert, so ist Er allvergebend, barmherzig.“ (Sura 6 Vers 55)
Im Leben und in der Lehre des Propheten Mohammeds und von Jesus, der im Islam als Prophet gilt, hat Barmherzigkeit eine zentrale Rolle gespielt. Dies wird deutlich, wenn man sich anschaut, wie beide mit Menschen umgegangen sind, die in der zu ihrer Zeit herrschenden Gesellschaftsordnung benachteiligt waren, z.B. Frauen, Sklaven/-innen, Diener/-innen.
Jesus wendet sich einer kranken Frau zu, die ihn ungefragt an seinem Gewand berührt und um Heilung bittet (Mk 5,21-34 par.), er weist auch die syro-phönizische Frau, die nicht zum Volk Israel gehört, nicht ab, als sie darauf beharrt, Hilfe zu wollen (Mk 7,24-30 par.). Jesus macht sich sogar selbst zum Diener seiner Jünger, indem er ihnen die Füße wäscht (Joh 13). Er kehrt die üblichen Herrschaftsverhältnisse um: Wer groß sein will, soll den Anderen dienen (Mk 9,33-37; Mt 23,11). Hier wird deutlich, dass Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zusammengehören.
Auch der Prophet Mohammed pflegte einen respektvollen Umgang mit Frauen und achtete auf den/die Einzelne unabhängig von der gesellschaftlichen Stellung:
Eine arme muslimische Frau pflegte die Moschee des Propheten (Frieden und Allahs Segnungen seien auf ihm) in Medina sauber zu machen. Der Prophet hatte sie seit ein paar Tagen nicht mehr in der Moschee gesehen, somit erkundigte er sich nach ihr. Es wurde ihm berichtet, dass sie verstorben sei. Der Prophet sagte: „Warum wurde mir davon nicht berichtet, ich hätte mich dann an den Gebet bei ihrer Beerdigung beteiligen können und fügte hinzu: Vielleicht dachtet ihr, sie sei keine Erwähnung würdig, weil sie arm war. Das war nicht richtig. Führt mich zu ihrem Grab.“ Er begab sich dahin und betete für sie. (Bukhari , Kitab Al-Salat)
Abu Huraira (Möge Allah Gefahlen an ihm haben) berichtete: Der Heilige Prophet (Frieden und Allahs Segnungen seien auf ihm) sprach: „Wer an Gott und an den Tag des Gerichts glaubt, soll seinem Nachbarn keine Schwierigkeiten bereiten, soll seine Gästen keine Schwierigkeiten bereiten und soll nur das Wort der Tugend äußern oder aber schweigen.“ (Muslim)
Beide Propheten bezogen ihre Barmherzigkeit nicht nur auf Menschen, sondern auch auf die gesamte Schöpfung. Jesus greift in seinen Gleichnissen häufig auf Bilder aus der Natur zurück (z.B. das Gleichnis vom Senfkorn Mk 4,30-34 par.) und bejaht die jüdische Tradition, dass man ein Tier am Schabbat aus Lebensgefahr retten darf, weil die Rettung von Leben höchste Priorität hat (Lk 13,15; 14,5). Während seiner 40-tägigen Zeit in der Wüste, als er durch den Satan versucht wurde, lebte er mit wilden Tieren, die ihm nichts zuleide taten (Mk 1,12f.)
Der Prophet Mohammed setzte sich für den Schutz von Tieren und der Umwelt ein:
Auf eine Reise des Heiligen Propheten Mohammed mit einigen Gefährten wurden zwei Tauben im Nest entdeckt und gefangen. Sie waren sehr jung. Die Mutter kam und suchte sie aufgeregt. Da sagte der Heilige Prophet (Frieden und Allahs Segnungen seine auf ihm): „Wenn jemand von euch die Jungen gefangen hat, dann soll er sie sofort frei lassen, damit die Mutter sich beruhigen kann. (Abu Daud)
Der Heilige Prophet (Frieden und Allahs Segnungen seien auf ihm) verbat, dass irgendetwas in stehendes Wasser geworfen würde. (Bukhari, Kitab Al-Birr Wa´l-Sila)
Der Heilige Prophet (Frieden und Allahs Segnungen seien auf ihm) bestand darauf, dass Straßen sauber und frei von Zweigen, Steinen und sonstigen Dingen gehalten werden. Er entfernte sie auch selber. (Bukhari)
Für beide Propheten war es wichtig, andere Menschen nicht zu verurteilen, sondern ihnen zu verzeihen und einen neuen Anfang zu ermöglichen. Jesus verurteilte die Ehebrecherin nicht, die zu ihm gebracht wurde (Joh 8,1-11).
Der Prophet Mohammed lehnt es ab, seine Mitmenschen öffentlich zu tadeln:
Der Heilige Prophet (Frieden und Allahs Segnungen seien auf ihm) gab niemals die Fehler und Unzulänglichkeiten anderer öffentlich preis. Er sagte: „Wenn jemand die Fehler eines anderen verdeckt, wird Gott die seinen am Gerichtstag abdecke.“ (Bukhari)
Beide Propheten können uns auch heute noch ein Beispiel geben und uns dazu anregen zu fragen, wie wir Barmherzigkeit leben.
Sana Khan / Irene Pabst